Reinhardt Jünemann
Reinhardt Jünemann: Materialfluss-Papst und Mitbegründer der industriellen Logistik
Professor em. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Reinhardt Jünemann (*1936) gilt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als der deutsche Materialfluss-Papst. Aufgrund seiner herausragenden Pionierleistungen als Mitbegründer der industriellen Logistik wurde er 2009 in die Logistics Hall of Fame aufgenommen.
Bereich | Wissenschaft, Forschung, Intralogistik |
Aktuelle Position | Universitätsprofessor em. für Förder- und Lagerwesen an der Universität Dortmund, Deutschland |
Geboren | 1936, Thaldorf/Lutherstadt Eisleben. Deutschland |
Aufnahme in die Logistics Hall of Fame | 2009 |
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Vita
1936 geboren in Thaldorf/Lutherstadt Eisleben (Sachsen-Anhalt)
1960 Abschluss als Diplom-Ingenieur für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Dresden
1961 Flucht aus der DDR in die BRD
1961 bis 1972 diverse Industrietätigkeiten bei den Rheinstahl Hüttenwerken und der Bayer AG
1970 Promotion zum Doktor-Ingenieur an der TU Berlin
1972 bis 2001 Professor an der Uni Dortmund, Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen, Fakultät für Maschinenbau
1981 bis 2000 Gründer und Leiter des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund
2009 Aufnahme in die Logistics Hall of Fame
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Portrait
Seine akademischen Titel sind länger als sein Name. Dabei lassen die beruflichen Ambitionen als Kind das nicht erahnen. Professor em. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h. Dr. h.c. Reinhardt Jünemann will Lokomotivführer werden. Er wird der deutsche Materialfluss-Papst.
Jünemann – der Pionier, der Wissenschaftler, der Manager, der Entwickler, der Firmengründer – es ist schwer, mit nur einem Begriff die Person zu beschreiben. Auf jeden Fall sucht er von Anfang an neue Wege, wagt sich auf neues Terrain und riskiert etwas für seine Überzeugungen: Nach dem Abitur studiert der in Sachsen-Anhalt geborene Sohn eines Stellmacher- und Tischlermeisters 1955 Maschinenbau und hat fünf Jahre später, 1960, sein Ingenieursdiplom in der Tasche. Am 21. Juli 1961 setzt sich der Mittzwanziger in den Westen ab. Eine sichere Industriekarriere vor Augen, folgt der 1970 promovierte Jünemann dann aber dem Ruf der Wissenschaft, weil er glaubt, dort mehr bewegen zu können. Er übernimmt den neu ausgeschriebenen Lehrstuhl für Förder- und Lagerwesen an der Uni Dortmund, gilt als Mitbegründer der industriellen Logistik und viele Jahre als der „Materialfluss-Papst“ in Deutschland. Er gründet das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) in Dortmund und entwickelt es zu einer weltweit anerkannten Forschungseinrichtung. Die angewandte Forschung ist sein Steckenpferd und sein Talent als Macher hilft dabei, Forschungsaufträge zu gewinnen. In Nordrhein-Westfalen existieren Dutzende Unternehmen mit weit mehr als 1000 Mitarbeitern, deren Grundlage auf das Fraunhofer-Institut oder Jünemanns Lehrstuhl zurückgeht.
NRW-Ministerpräsident Johannes Rau würdigt Jünemanns Verdienst, die „friedvolle Definition für Logistik gefunden zu haben“, nämlich „als die wissenschaftliche Lehre der Planung, Steuerung und Überwachung der Material-, Personal-, Energie- und Informationsflüsse in Unternehmen“. Ein umfangreiches Feld, aber „in der Logistik ist so viel zu tun, da könnte man nochmal 100 Jahre leben“, sagt Jünemann.
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Verdienste
- Reinhardt Jünemann war der erste Inhaber des 1971/72 neu ausgeschriebenen Lehrstuhls für Förder- und Lagerwesen an der Universität Dortmund. 1980 gründet er im Auftrag der Fraunhofer-Gesellschaft das Fraunhofer-Institut für Transporttechnik und Warendistribution und leitete es bis 2000. Das heutige Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik hat sich unter seiner Leitung den Ruf als eine der führenden Forschungsanstalten in Sachen Logistik erarbeitet. Bei seinem Weggang beschäftigte es 300 Mitarbeiter und erzielte einen Forschungsumsatz von 30 Millionen Deutschen Mark (15,3 Millionen Euro).
- Von den Einrichtungen Jünemanns und den kooperierenden Unternehmen gingen wichtige Impulse für automatische Materialflusssysteme, die Simulationstechnik sowie für die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik in der Logistik aus. Daraus resultierten bedeutende Entwicklungen für die Intralogistik, darunter automatische Regalstapler und automatisierte Staplerleitsysteme, Roboter für Palettierungsaufgaben oder der Dortmunder Simulator für Materialflusssysteme.
- In Nordrhein-Westfalen existieren gut 30 Unternehmen mit rund 1000 Mitarbeitern, deren Grundlage auf das Fraunhofer-Institut oder den Lehrstuhl zurückgeht.
- Neben der Forschung hat sich Jünemann um die Aus- und Weiterbildung von Logistikern auf höchstem Niveau verdient gemacht. An seiner Fakultät gab er die wesentlichen Impulse für die Einrichtung des Zusatzstudiengangs für Kauffrauen und Kaufmänner der Logistik (1988) sowie des Diplom-Studiengangs Logistik (1998/99).
- Ämter und Auszeichnungen: Bundesverdienstkreuz am Bande (1987), Staatspreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1995). Ehrenprofessur in China (1988), Ehrendoktorwürde in Ungarn (1990) und Dresden (1993), Ehrenzeichen des VDI (Verein Deutscher Ingenieure), Ehrenmitglied der Ungarischen Akademie der Wissenschaften (1995) , Ehrenmitglied der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften (1998).
Fotos: Jan Scheutzow