ConnectChains: Positive Entwicklungen
Expertinnen und Experten in der humanitären Logistik tauschten sich mit der Privatwirtschaft über Herausforderungen und neue Lösungsvorschläge aus. Logistics Hall of Fame richtete Gipfeltreffen in Berlin zum zweiten Mal aus, um Supply-Chain-Fachleuten die Möglichkeit zu Wissenstransfer und Vernetzung zu bieten.
Intensive Kooperationen, Weiterbildungsmaßnahmen, die Unterstützung lokaler Projekte und langfristige Public-Private-Partnerships bringen sowohl humanitären Organisationen als auch ihren Partnern aus der Wirtschaft nachhaltige Erfolge im Supply Chain Management. Das war der Tenor von ConnectChains - The Humanitarian Supply Chain Conference am 5. Dezember in Berlin. Für die zweite Auflage der Konferenz brachte die Logistics Hall of Fame-Organisation mehr als 80 internationale Experten aus dem Bereich der humanitären Logistik zusammen. Unter den Teilnehmern befanden sich Vertreter von Logistikunternehmen, Geldgebern, Hochschulen und humanitären Organisationen aus Europa, den USA und Afrika. Ziel des Treffens in der Vertretung des Landes Nordrhein-Westfalen beim Bund war es, dass sich die Akteure über Best-Practice-Beispiele austauschen, aktuelle Herausforderungen identifizieren und sich vernetzen.
„ConnectChains ist eine einzigartige Konferenz für Networking, Kommunikation und Wissenstransfer, die Supply-Chain-Fachleute aus humanitären Organisationen und Führungskräfte aus der Privatwirtschaft zusammenbringt. Die Logistics Hall of Fame plant, dieses internationale Gipfeltreffen fortzusetzen“, betonte Konferenzleiter Thilo Jörgl.
Öffentlich-private Partnerschaften haben sich laut den Referenten der Konferenz als ein effektiver Weg für Unternehmen erwiesen, sich in der humanitären Hilfe zu engagieren. Im Zentrum des Treffens stand eine Diskussion über Ergebnisse einer neuen Studie, die von der Wageningen University & Research, der ETH Zürich und dem Fritz-Institut in Zusammenarbeit mit der Logistics Hall of Fame durchgeführt wurde. Humanitäre Organisationen, Wirtschaftsunternehmen und Geldgeber waren gebeten worden, Angaben zu den Besonderheiten ihrer bestehenden Partnerschaften zu machen.
Die wichtigste Erkenntnis der Umfrage, die in diesem Herbst durchgeführt, lautete: Die Ausprägungen der öffentlich-privaten Partnerschaften haben sich im Laufe der Jahre verändert. Sie sind von primär auf finanzielle Vereinbarungen ausgerichteten Partnerschaften zu einer Zusammenarbeit gereift, die auf einem integrativeren Netzwerk aufbaut, das auch Produkte und Dienstleistungen umfasst.
Der Wert von Public Private Partnerships wurde auch von einer Diskussionsrunde mit Vertretern der drei Sektoren bestätigt. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass Fortschritte erzielt wurden und die Bedeutung und der Nutzen von Partnerschaften, insbesondere im Bereich des Lieferkettenmanagements, sowohl vom privaten Sektor als auch von humanitären Organisationen anerkannt werden.
Prof. Dr. Sander de Leeuw (Wageningen University & Research) vertrat die Meinung, dass eine erfolgreiche öffentlich-private Partnerschaft drei wichtige Faktoren berücksichtigen sollte:
• Beide Parteien müssen sich über die Ziele der Partnerschaft und die erwarteten Ergebnisse einig sein; die Übereinstimmung dieser beiden Faktoren ist entscheidend für den Erfolg der Partnerschaft.
• Eine gute Partnerschaft zeichnet sich dadurch aus, dass das Back Office vor einer Katastrophe unterstützt wird. Weniger Sinn macht direkte Beteiligung an der vordersten Front während des Hilfseinsatzes.
• Regelmäßige Kommunikation ist wichtig, um Probleme abzuwehren und regelmäßige Fortschritte zu überprüfen und sicherzustellen.
Mayyada Ansari, Global Head der GoHelp-Aktionen der DHL Group, berichtete über das langjährige Programm des Unternehmens, in dem mehr als 900 Logistikexperten geschult wurden, um in humanitären Krisensituationen Hilfe zu leisten. Mitsuko Mizushima, Chief Logistics Officer des Fritz-Instituts, betonte, dass für den Erfolg einer öffentlich-privaten Partnerschaft die Unterstützung des Top-Managements beider Parteien erforderlich ist: „Vor dem Engagement müssen Entscheidungen getroffen werden, ob die Parteien nur spenden oder sich daran beteiligen, den Prozess der Hilfslieferung auf der Systemebene zu verbessern“, sagte Mizushima.
In einer Podiumsdiskussion zum Thema Infrastruktur und Prozesse wurden die Herausforderungen erörtert, die der Umgang mit staatlichen Vorschriften, Zollbestimmungen und anderen Einschränkungen für internationale Transporte mit sich bringt. Johannes Peter, Geschäftsführer von humedica, merkte an, dass Hilfstransporte oft ähnlich wie kommerzielle Transporte behandelt werden, obwohl es eigentlich „mehr Möglichkeiten für Ausnahmen“ geben sollte.
Markus Bangen, CEO von duisport, wies darauf hin, dass humanitäre Organisationen von den jüngsten Fortschritten im Hafenbetrieb und dem Fachwissen ihres Teams profitieren könnten. Als Beispiel schlug der Hafenexperte die Bündelung von Sendungen und die Nutzung von Hafen- und Flughafenplattformen vor. Er drängte auf eine weitere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Sektoren, um das gegenseitige Wissen über Logistikstandards und -prozesse zu vertiefen.
Eine Session zum Thema Lokalisierung konzentrierte sich darauf, dass das Verständnis für diese Thema gefördert wird. Es ging insbesondere um die Beauftragung lokaler und nationaler Organisationen in Katastrophengebieten. Einer der Schlüsselaspekte ist die Frage: Wie können lokale Nichtregierungsorganisationen geschult und entwickelt werden, damit sie mehr Verantwortung übernehmen können? Wenn eine Katastrophe eintritt, sind die lokalen Akteure oft die ersten, die reagieren. Organisationen auf regionaler Ebene, wie die lokalen Zweigstellen des Roten Kreuzes oder Roten Halbmonds, religiöse Organisationen und andere zivilgesellschaftliche Gruppen können schnell ihre eigenen Ressourcen mobilisieren. Im Zuge einer Verlagerung auf die lokale Ebene sind viele internationale Organisationen und Geldgeber vermehrt bestrebt, die Führung bei der Festlegung von Prioritäten, der Umsetzung und der Messung der Ergebnisse stärker auf die Menschen und Institutionen zu verlagern, die dazu fähig sind, den Wandel in ihren eigenen Ländern und Gemeinschaften voranzutreiben.
Der diesjährige Preisträger der Lynn C. Fritz Medal for Humanitarian Logistics, Strategies for Northern Development (SND), gilt als Paradebeispiel für eine lokale Organisation, die in ihrem eigenen Land bahnbrechende Arbeit leistet. Charles Iria Lomali, Business Development Manager von SND, präsentierte zusammen mit Ibrahim Ali Dida, Executive Director von SND, das Ergebnis des Projekts „Horn of Africa Extreme Weather Response“. Während des Hilfsprojekts erhielten 1.200 Haushalte im Norden Kenias durch elektronische Gutscheine und Bargeldhilfe über ihre Mobiltelefone schnellen, sicheren und nachhaltigen Zugang zu Gütern des täglichen Bedarfs.
Die Unterstützung lokaler Märkte und Organisationen war auch das zentrale Thema einer Podiumsdiskussion zum Thema Nachhaltigkeit. Ignazio Matteini, Hauptkoordinator für nachhaltige Versorgung beim UNHCR, berichtete, warum die Vereinten Nationen die Produktion verschiedener Hilfsgüter von Asien nach Kenia verlagerten. „Dadurch wurden nicht nur lange Lieferketten verkürzt, sondern auch lokale Unternehmen unterstützt“, sagte Matteini. Er wies darauf hin, dass UNHCR bereits ein umfangreiches Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht habe, um das große Ziel zu erreichen, die Kohlendioxidemissionen im Lieferkettenmanagement bis 2030 um 30 Prozent zu reduzieren.
Dro André Gonsi, Regional Medical Supply Chain Administrator beim International Committee of the Red Cross in der Elfenbeinküste, widersprach dem Vorurteil, dass grüne Produkte generell teurer sind als nicht nachhaltig produzierte Waren: „Es ist alles eine Frage der Planung“, betonte Gonsi, der vom Fritz-Institut mit dem Outstanding Learner of the Year Award ausgezeichnet wurde.
Sarah Penniman-Morin, Chief Global Supply Chain Officer beim International Rescue Committee, erläuterte einen weiteren Vorteil innovativer, nachhaltiger Lösungen - die Stärkung der Widerstandsfähigkeit. Ihr Beispiel: Logistikexperten setzten zahlreiche mobile Solarpaneele für die Stromversorgung in der Ukraine ein. „Der Vorteil dieser Lösung: Sie ermöglichte es dem International Rescue Committee, seine Reichweite je nach Bedarf zu erhöhen und auch dann einsatzbereit zu bleiben, wenn das Stromnetz ausfiel“, erklärte Penniman-Morin.